KLAR! Regionen sorgen vor

Julie Buschbaum, KLAR! Managerin der Modellregion Plan-b im Klimawandel (Vorarlberg), erhielt bei der Naturgefahrentagung 2022 in Zell am See den „Naturgefahren im Klimawandel Award“. Was es damit auf sich hat und welche konkreten Maßnahmen vor den Vorhang geholt wurden, haben wir in einem Interview bei ihr erfragt.

Bild von der Überreichung des Awards
Gernot Wörther (Klima- und Energiefonds), Julie Buschbaum (KLAR! Modellregion Plan-b im Klimawandel) und Andreas Schaffhauser (ZAMG) bei der Überreichung des „Naturgefahren im Klimawandel Awards“

Umweltbundesamt: Worum geht es konkret bei dieser KLAR! Maßnahme?

Julie: Bei dieser Maßnahme steht der Ippach Bach und hier vor allem die Marktgemeinde Wolfurt im Fokus. Ziel ist es, durch Renaturierungsmaßnahmen an diesem Kleingewässer die Bachlandschaft abwechslungsreicher zu gestalten und dadurch einen positiven Effekt auf die Wassergüte und die Vielfalt in der Pflanzen- und Tierwelt zu erwirken. Durch die Schaffung von Retentionsflächen und den Erhalt von klimafitten Riedflächen wird auch gleichzeitig das Überflutungsrisiko reduziert. Die KLAR! begleitet die Planung und Umsetzung mit einer umfassenden Öffentlichkeitsarbeit, wobei wir vor allem die lokale Bevölkerung ansprechen.

Umweltbundesamt: KLAR! Regionen achten ja generell sehr stark darauf, dass Maßnahmen längerfristig wirken. Wie stellt ihr das bei diesem Projekt sicher?

Julie: Wir werden die Umsetzung dieser Maßnahme in der nächsten Phase weiter vorantreiben. Ab Oktober startet die Weiterführungsphase I und das Thema „Renaturierung und Retentionsflächen“ wird im Rahmen von Aktionen mit lokalen Schulen weitergeführt. Im Tandem mit der KLAR! Region Im Walgau ist beispielsweise die Entwicklung von Schulunterlagen zu diesem Thema vorgesehen und es sind auch Exkursionen geplant.

Umweltbundesamt: Dass Retentionsflächen essentiell wichtig sind in eurer Region hat ja der 20. August 2022 eindrücklich gezeigt. Kannst du uns mehr darüber erzählen?

Julie: In der Region fielen an diesem Tag innerhalb von 24 Stunden 200 Liter Regen. In Bregenz allein betrug die Regenmenge innerhalb von drei Stunden 130 Liter. Das sind natürlich enorme Größen, selbst für Vorarlberger Verhältnisse. Der Autobahnzubringer war komplett überflutet und auch die Autobahn A14 stand zum Teil ein Meter unter Wasser. Der große Vorteil in unserer Region ist, dass das Wasser wieder relativ schnell abfließt. Der Wasserstand im Bodensee ist nach diesem Extremereignis zwar um 21 cm gestiegen, das war aber nach der Trockenheit davor nicht weiter dramatisch. Aber auch unsere intakten Ried- und Moorflächen haben aus meiner Sicht einen wesentlichen Beitrag zur raschen Entschärfung der Situation geleistet, denn diese Flächen haben wie ein Schwamm sehr viel Wasser aufgenommen.

Umweltbundesamt: Wie hast du persönlich dieses Extremwetterereignis erlebt?

Julie: Für mich persönlich sind solche Ereignisse immer wieder beunruhigend. Ich erinnere mich konkret an das 1999er Hochwasser im Bodensee, welches sich aufgrund hoher Schmelzwassermengen ereignete. Ich wohnte damals mit meinen Eltern relativ nah am See und der Sturm peitschte das Wasser und darin herumschwimmende Holzteile direkt an unser Haus. Interessant beim Ereignis im August 2022 war, dass es in meinem Wohnort Lindau eigentlich nur „normal“ geregnet hat, während in Bregenz die Welt untergegangen ist. Dadurch, dass das Einzugsgebiet unserer KLAR! Region sehr groß ist, hat sich dort sehr viel Wasser aus den Berggebieten rundum gesammelt und diese große Wassermenge erzeugt. Das Ereignis hat jedenfalls gezeigt, wie wichtig Retentionsflächen und Renaturierungsmaßnahmen sind und wir mit unserer KLAR! Maßnahme absolut richtig liegen.

Umweltbundesamt: Die Bewältigung solcher Extremereignisse fordert das Katastrophenmanagement enorm. Habt ihr auch dazu Maßnahmen im Rahmen der KLAR! geplant?

Julie: Ja, wir werden für die Gemeinde Kennelbach einen Hochwasser-Katastrophenschutzplan für die Bregenzer Ache niederschreiben. Der Grund, warum wir das machen ist, dass dieses Wissen bisher nur mündlich von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Gemeinsam mit der Landeswarnzentrale erschient es uns sehr wichtig und sinnvoll, einen solchen Katastrophenschutzplan für ein bekanntes Szenario niederzuschreiben. Aufgrund unserer Anregung wird noch ein weiterer Katastrophenschutzplan zum Thema Waldbrand durch die KLAR! Gemeinde Kennelbach in Kooperation mit der ortsansässigen Feuerwehr ausgearbeitet.

Umweltbundesamt: Vermittlungsaktivitäten dieser Art zählen ja zu den wichtigsten Aufgaben einer / eines KLAR! Manager:in. Welche Tipps hättest du noch für andere (KLAR!) Regionen?

Julie: Es ist ganz wichtig, dass man sich frühzeitig schlau macht, wer in welchen Bereich welches Wissen hat. Bei Projekten zum Thema „Wasser“ ist es auch sehr sinnvoll, alle Anrainergemeinden ins Boot zu holen, damit sich die Unterlieger nicht wundern, warum in den Oberliegergemeinden diese oder jene Maßnahme umgesetzt werden. Ansonsten lautet mein Appell: Einfach tun!

Informationen zur ASDR Naturgefahrentagung für Gemeinden und Regionen 2022

Von 7. bis 9. September 2022 tagten rund 120 Expert:innen in Zell am See zum Thema Naturgefahren – Verstehen. Vernetzen. Vorsorgen. Vertreten waren Einsatzkräfte, Akteur:innen aus Gemeinden, Regionen, Ländern, dem Bund, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Andreas Schaffhauser, provisorischer Leiter der ZAMG, betonte die enorme Wichtigkeit einer engen und effizienten Zusammenarbeit aller Beteiligten zur Erreichung eines optimalen Schutzes der Bevölkerung vor Naturgefahren. Ingmar Höbarth, Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds, zeigte den wichtigen Beitrag der mittlerweile 79 österreichischen KLAR! Regionen zum Thema Schutz vor Naturgefahren und Katastrophenmanagement auf. Organisiert wurde die Tagung von der österreichischen Plattform des internationalen Programms für Katastrophenvorsorge der Vereinten Nationen (ASDR), die in Österreich von der ZAMG koordiniert wird, vom Land Salzburg, der KLAR! Region Pinzgau, dem Klima- und Energiefonds und dem Disaster Competence Network Austria. Eine Fortführung im Jahr 2023 ist geplant. (MO, September 2022)