Städtische Begrünungen – welche Kühleffekte sind messbar?

Wenn sommerliche Hitzewellen den Menschen in der Stadt das Leben erschweren, ist oft von städtischen Hitzeinseln die Rede. Mit der Frage, welche konkreten und messbaren Wirkungen Begrünungsmaßnahmen leisten können, um durch entsprechende Kühlungseffekte Abhilfe zu schaffen, hat sich ein Forscherteam der BOKU im Rahmen des Programms Stadt der Zukunft befasst.

(11. Oktober 2019) „Beschattung durch hohe Kronendichte sowie hohe Transpiration sind die wesentlichen Wirkungen von grünen Strukturen, die zu messbaren Kühleffekten und damit verbundener Energieeinsparung führen“, so eine der Kernaussagen der Studie Wirkungen der grünen Stadt. Dies bildet den aktuellen Wissenstand zu den Effekten städtischer Begrünungsmaßnahmen ab. Ein Forscher-/Forscherinnen-Team der Universität für Bodenkultur untersuchte eine Vielzahl an Studien und Arbeiten auf Parameter, die die Wirkung einer Begrünung beschreiben und quantifizieren. Es widmete sich der Frage, wie Begrünungsmaßnahmen am besten gemessen werden können.

Die Studie baut auf einer umfassenden Literaturanalyse von internationalen wissenschaftlichen Studien und Pilotprojekten über die Wirkungen städtischer Begrünung und publizierten Messdaten auf. Die Forscher und Forscherinnen stellen in ihrer Recherche fest, dass die Anzahl an Publikationen zu diesem Thema gerade in der jüngeren Zeit stark angestiegen ist, obwohl es sich insgesamt um ein neues Forschungsfeld handelt.

Das Spektrum an erhobenen Parametern oder Parametergruppen sowie der eingesetzten Messtechniken ist allgemein sehr breit, wodurch die publizierten Daten und Wertebereiche schwer vergleichbar sind. Ungenaue Definitionen oder Angaben über die zugrundeliegenden Daten und Erhebungs-Setups sowie starke Kontextabhängigkeit erschweren ebenso die Vergleichbarkeit.

Allgemeingültige Angaben oder Zahlenwerte zu Wirkungen durch grüne Infrastrukturen sind aus der recherchierten internationalen Literatur nicht ableitbar, da die Forschungsobjekte und -setups zu unterschiedlich sind. Jedoch sind vielerlei Indikationen feststellbar. In der Literaturstudie wurde ein erster Vorstoß gemacht, eine tabellarische Übersicht zu potenziellen Temperaturreduktionen herzustellen.

Kühlwirkung von begrünten Fassaden

Aus Tabelle 1 sind publizierte Werte für Oberflächenkühlung an Fassaden ablesbar. Angeführt wurden hier nur Studien, die sich auf denselben Parameter Oberflächenkühlung und auf einheitliche Temperaturangaben geeinigt haben. Unschärfen gab es in der Information, ob die Kühlleistung im Vergleich zu einer Referenzfläche stand, einen Vorher-Nachher-Vergleich beschreibt oder anderes.

Tabelle 1: Beispiele ausgewählter Studien zu den mikroklimatischen Effekten und zur Kühlung von Fassadenoberflächen durch vertikale Begrünungen (basierend auf Medl et al., 2018a; adaptiert); Quelle: Wirkungen der grünen Stadt – Studie zur Abbildung des aktuellen Wissenstands im Bereich städtischer Begrünungsmaßnahmen, S 26. Anmerkung: die angeführten °C-Werte stellen dar, um wie viel sich die Oberflächen durch Beschattung abkühlen und sind daher mit dem Vorzeichen „Minus“ zu verstehen.
Begrünte Fassade

Die mikroklimatischen Effekte vertikaler Begrünungen zeigen beachtliche Potenziale. Je nach Materialbeschaffenheit der Fassadenoberflächen werden Abkühlungen von sehr hohen Temperaturen bei voller Besonnung lt. Studien um bis ca. 30°C durch die Beschattungseffekte beschrieben.

Kühlleistung durch Parkanlagen

In vielen wissenschaftlichen Studien (z.B. Xiao et al., 2018; Chun et Guldmann, 2018; Qiu et al., 2017; Yu et al., 2017) wird als wichtigste Strategie zur Minderung des städtischen Wärmeinseleffekts empfohlen, den Flächenanteil an Grünflächen in Stadtgebieten zu erhöhen. Tabelle 2 zeigt eine Auswahl an identifizierten Studien und deren wichtigste Ergebnisse.

Tabelle 2: Publizierte Angaben zur Minderung des Wärmeinseleffekts bzw. Reduktion der Lufttemperatur durch Grünflächen aus Simulation und Monitoring (basierend auf Skoulika et al. (2014), adaptiert und modifiziert); Quelle: Wirkungen der grünen Stadt – Studie zur Abbildung des aktuellen Wissenstands im Bereich städtischer Begrünungsmaßnahmen, S 22. (Anmerkung: Die Bindestriche in der Abbildung bedeuten „bis“ und kein negatives Vorzeichen.)

Die meisten Studien, die sich mit dem Thema Grünflächen in Stadtgebieten beschäftigen, behandeln in diesem Zusammenhang den Wärmeinseleffekt (Urban Heat Effect − UHI) bzw. die durch Grünflächen entstehenden Kühleffekte in Form von PCIs (Park Cool Islands). Der PCI-Wert ist ein Maß für den Temperaturunterschied zwischen Park und Umland, der unter Verwendung der erhobenen Klimadaten (Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, etc.) mittels Formel berechnet werden kann.

Z.B. haben Upmanis et al. (1998) herausgefunden, dass größere Parkanlagen zu stärkeren PCIs führen und die Temperaturunterschiede zwischen Park und Umgebung gleichzeitig mit der Größe des Parks zunehmen, jedoch obere Schwellengröße ab ca. 40 ha Parkgröße aufweisen, oberhalb derer keine weiteren Abkühlungen erreicht werden können. In einige Studien (z.B. Cao et al., 2010) wurde jedoch festgestellt, dass eine Mindestgröße für Parkanlagen erforderlich ist (ca. 2 -3 ha), ab der erst PCIs entstehen und eine konsequente Kühlung erfolgen kann. Angenommen wird außerdem, dass kompakte Parkanlagen der PCI-Entwicklung förderlicher sind als unregelmäßige oder bandförmige, welche meist zu geringeren PCIs führen.

Kühlwirkung von Stadtbäumen

Stadtbäume haben durch ihre Schattenwirkung und Transpirationsleistung einen signifikanten Einfluss auf die Lufttemperatur von Stadtgebieten, insbesondere in Hinblick auf das thermische Wohlbefinden des Menschen (Stichwort: Hitzestress). Artspezifische Eigenheiten der Bäume, wie beispielsweise Blatt- und Kronencharakteristika, wirken sich auf das Ausmaß ihrer Kühlleistung aus. Ein hoher Blattflächenindex (leaf area index - LAI) und eine hohe Transpirationsrate weisen eine entsprechend bessere Kühlleistung hinsichtlich der Lufttemperatur auf.

So wurde zum Beispiel nachgewiesen, dass die Englische Ulme (Ulmus procera), die Ahornblättrige Platane (Platanus x acerifolia) (LAI 5.9 und 5.0) und auch Lindenbäume (LAI = 3.64) aufgrund der höheren Kronendichte einen größeren Einfluss auf das Mikroklima haben – speziell in Hinblick auf Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Solarstrahlung, Strahlungstemperatur und Windgeschwindigkeit – als beispielsweise die Gewöhnliche Robinie (Robinia pseudoacacia L.) (LAI = 2.61).

Energieeinsparung durch die Beschattungswirkung von Stadtbäumen

Zahlreiche AutorInnen setzen sich in ihren Studien mit der Energieeinsparung durch Beschattung auseinander und kommen zu dem Schluss: Befinden sich Bäume in unmittelbarer Nähe zu Gebäuden, tragen diese durch ihre Beschattungs- und Transpirationsleistung effektiv zur Reduktion des Energieverbrauchs im Gebäudeinneren bei (Hsieh et al., 2018; McPherson et Simpson, 2003). Die Einsparung wird in den Studien unterschiedlich angegeben, teilweise monetär, als auch physikalisch (kWh) oder in Prozent zu keiner Beschattung ausgedrückt. Eine Vergleichbarkeit der Arbeiten wird dadurch erheblich erschwert.

Tabelle 3 zeigt eine Auswahl und Zusammenfassung einiger wissenschaftlicher Ergebnisse. Obwohl die meisten der dargestellten Studien in den USA umgesetzt wurden, wird erkennbar, dass durch Baumpflanzungen in Gebäudenähe in vielen verschiedenen Klimazonen Erfolge hinsichtlich einer Reduktion des Energieverbrauchs erzielt werden können.

Tabelle 3: Publizierte Angaben über Energieeinsparung durch Beschattung aus Simulation und Monitoring (basierend auf Balogun et al. (2014), modifiziert); Quelle: Wirkungen der grünen Stadt – Studie zur Abbildung des aktuellen Wissenstands im Bereich städtischer Begrünungsmaßnahmen, S. 20.

Erhöhung des thermischen Komforts

Ein hoher Blattflächenindex (LAI), also Stadtbäume mit dichten Baumkronen, reduzieren außerdem die auf Fußgänger wirkende kurz- und langwellige Sonneneinstrahlung und führen damit zu einer Verbesserung des thermischen Wohlbefindens des Menschen, so ein weiteres Ergebnis aus der Literaturrecherche. Zur Quantifizierung des thermischen Komforts dient z.B. der Indikator Physiological Equivalent Temperature (PET). Einige Studien konnten nachweisen, dass Bäume mit hoher Kronendichte die gefühlte Temperatur (Temperatur des thermischen Wohlbefindens) um bis zu 18°C PET während der Sommerzeit und bis zu 10° C im Winter reduzieren.

Schlussfolgerungen

Die Studie gibt einen breiten Überblick über den aktuellen Wissensstand zu angewandten Messmethoden und -parametern zur Quantifizierung der Kühleffekte von grüner Infrastruktur. Die Darstellung der publizierten Erfahrungen und die Aufbereitung in Form von Tabellen machen die gewonnenen Erkenntnisse greifbar. Sie unterstützen bei der Argumentation für städtische Begrünungsmaßnahmen und erleichtern bei der Planung und Entscheidungsfindung. Gefördert wurde die Literaturstudie vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie im Rahmen des Forschungs- und Technologieprogramms „Stadt der Zukunft“. (EM, Oktober 2019)

Zum Thema

R. Stangl, A. Medl, B. Scharf, U. Pitha (2019): Wirkungen der grünen Stadt – Studie zur Abbildung des aktuellen Wissenstands im Bereich städtischer Begrünungsmaßnahmen. Herausgeber: BMVIT, Schriftenreihe 12/2019. 

Wirkungen der grünen Stadt – Studie zur Abbildung des aktuellen Wissenstands im Bereich städtischer Begrünungsmaßnahmen: Download auf der Website Stadt der Zukunft im Rahmen von open4innovation 

Urban Heat Islands (UHI) - Strategieplan Wien 

United States Environmental Protection Agency – Performance of Green Infrastructure: www.epa.gov/green-infrastructure/performance-green-infrastructure

www.interreg-central.eu/Content.Node/Definitions.html

www.arup.com/perspectives/publications/research/section/cities-alive-green-building-envelope