Anpassungsmaßnahmen für eine sommertaugliche Stadt

Das Leben in der Stadt bei Hitze erträglicher zu gestalten, ist das Ziel eines Projektes der TUWien. Am Beispiel der Stadt Wien wurden klimatisch charakteristische und empfindliche Bereiche im Stadtraum identifiziert und freiraumgestalterische Maßnahmen entwickelt, die maßgeblich zur lokalen Verbesserung der klimatischen Bedingungen beitragen.

Städte sind Wohnort einer überwiegenden Mehrheit der europäischen Bevölkerung. Sie sind besonders empfindlich gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels, da die globale Erwärmung in verdichteten und stark versiegelten Stadträumen zu besonders starken Effekten führen kann (Stichwort Wärminseleffekt). Als Folge daraus, kann das städtische Klima die Gesundheit und das Wohlbefinden und somit die Lebensqualität der städtischen Bevölkerung in Zukunft zunehmend beeinflussen. Städte sind aber nicht homogene Einheiten, sie haben eine sehr differenzierte interne Struktur was die Bebauungsform und –dichte bzw. die Freiraumstruktur und den Vegetationsanteil angeht. Es ist also zu erwarten, dass nicht alle Teile einer Stadt gleichermaßen von den Auswirkungen des Klimawandels beeinflusst werden bzw. diese unterschiedliche Potentiale und Möglichkeiten für entsprechende Adaptionsmaßnahmen aufweisen werden. Ein Ziel des vom Klima- und Energiefonds geförderten Projektes „ Urban Fabric Types and Microclimate Response ‐Assessment and Design Improvement“ war es deshalb, herauszufinden, inwieweit die Stadtmorphologie, als Ausdruck der kleinteiligen Bebauungs- und Freiraumstruktur, die verschiedenen mikroklimatischen Phänomene und deren Wahrnehmung durch die Bevölkerung beeinflussen kann.

Daraus wurden differenzierte Strategien entwickelt, um die negativen Effekte auf lokaler Ebene lindern zu können. Um dieses zu ermöglichen, lag ein weiterer Fokus im Projekt in der Charakterisierung der Stadtmorphologie und der urbanen Landschaft, um die Interaktionen städtischer Freiflächen mit dem Mikroklima besser verstehen zu können. Basierend auf einem Raster der Statistik Austria wurde das gesamte Stadtgebiet von Wien in Quadranten von 500x500m gegliedert. Anhand einer Vielzahl von für die Stadtstruktur und für das Stadtklima relevanter Faktoren wurden neun allgemeine Stadtraumtypen generiert (Abb. 1). 

Generierung von Stadtraumtypen
Generierung von Stadtraumtypen

Innerhalb der besonders kritischen Stadtraumtypen wurden repräsentative Beispielquadranten ausgewählt und klimatisch charakteristische und empfindliche Stadtraumsituationen identifiziert. Die Charakterisierung umfasst die Beschreibung der stadträumlichen Kleinstrukturen und der unterschiedlichen Freiraumtypologien, die im jeweiligen Quadranten vorherrschen (Abb. 2).

Diesen Stadtraumtypen und Freiraumstrukturen wurde der jeweilige PMV Wert (predicted mean vote) zugewiesen, ein Index, der das thermische Wohlbefinden ausdrückt und sich aus dem Zusammenspiel der kleinräumig herrschenden klimatischen Faktoren (Windgeschwindigkeit, mittlere Strahlungstemperatur, Lufttemperatur und Luftfeuchtigkeit) errechnet.

Charakterisierung von Stadtraumtypen und Identifikation von Freiraumstrukturen (links) und Darstellung des thermischen Wohlbefindens, ausgedrückt durch den PMV Wert, für diese Stadtraumtypen und Freiraumstrukturen (rechts),
Charakterisierung von Stadtraumtypen und Identifikation von Freiraumstrukturen (links) und Darstellung des thermischen Wohlbefindens, ausgedrückt durch den PMV Wert, für diese Stadtraumtypen und Freiraumstrukturen (rechts),

Entwicklung von Planungs- und Gestaltungsmaßnahmen

Ein wesentliches Ziel des Projekts war die Entwicklung von möglichen Gestaltungsvarianten, um die negativen Auswirkungen der gegenwärtigen mikroklimatischen Bedingungen abzumildern. Mittels Simulationen der aktuellen und zukünftigen Klimabedingungen wurden besonders kritische Bereiche identifiziert.

Daraus wurden einerseits allgemeine Empfehlungen in Form eines Maßnahmenkataloges und konkrete Maßnahmenpakete für die jeweiligen Beispielquadranten der unterschiedlichen Stadtraumtypen entwickelt.

Allgemeine Maßnahmenempfehlungen

Die Maßnahmen, die in diesem Projekt vor allem zum Tragen kommen, beziehen sich hauptsächlich auf die Entsiegelung von befestigten Flächen und auf Baumpflanzungen zur Beschattung. Hinzu kommt noch das Aufzeigen von potentiellen Gründächern anhand des Gründachpotentialkatasters der Stadt Wien.

  • Baumpflanzungen:
    Bäume erhöhen neben der Verdunstungskühle durch Transpiration auch den wesentlich den Anteil an beschatteten städtischen Oberflächen und bewirken somit eine Reduzierung der Strahlungs- und Oberflächentemperaturen. Besonders hervorzuheben sind die klimatischen Aspekte sowohl im gesamtstädtischen als auch im lokalen Maßstab. Wichtige Aspekte sind dabei die Blattmasse und der Grad an Beschattung, weshalb Bäume aus mikroklimatischer Sicht besonders effektiv sind. Grundsätzlich gilt je größer und dichter die Baumkrone, desto höher der mikroklimatische Effekt. Baumreihen bzw. Baumgruppen verstärken diesen. Entlang der Fassaden können Baumreihen den größten Effekt erzielen, wobei die klimatische Wirkung bei Kronenschluss am größten ist. Hierbei werden sowohl die Fassadenoberfläche als auch der Bewegungsraum im Straßenprofil beschattet. Der Bericht umfasst weiterführende Empfehlungen wie Baumpflanzungen entlang von Straßen, in Grünflächen, Plätzen und in Höfen am besten zu positionieren sind.
  • Entsiegelung von Oberflächen:
    Die Entsiegelung von Oberflächen bewirkt grundsätzlich eine Reduzierung der Oberflächentemperatur und erhöht den Anteil der Verdunstungsfläche bei entsprechendem Wasservorrat im Boden. Entscheidend sind dabei unter anderem Farbe und Struktur der Materialoberfläche und die thermischen Eigenschaften (wie z.B. Wärmespeicherfähigkeit) des Materials. Helle Farben, raue Oberflächen sowie poröse und wasseraufnahmefähige Materialien sind einige allgemeine Faktoren, die geeignet sind einer übermäßigen Erwärmung des Stadtraumes entgegen zu wirken.
  • Dachbegrünung:
    Dachflächen stellen in ihrer Gesamtheit eine extrem große versiegelte Fläche dar, die sich im Laufe des Tages stark erwärmt. Sie sind mit verantwortlich für die Aufheizung der Städte und deren Wärmeinseleffekt. Dachbegrünungen wirken diesem Effekt entgegen und tragen zur Beschattung und Isolierung von Gebäuden und somit zur Energieeffizienz bei. Zudem bieten begrünte Dachflächen zusätzliche Flächen zur Wasserspeicherung und Verdunstung.

Weitere Empfehlungen beziehen sich auf Vegetation und Wasserflächen, vertikale Wasserelemente, Fassadenbegrünung und alternative Beschattungsformen für Plätze, an denen Baumpflanzungen nicht möglich sind.

Spezifische Maßnahmenpakete für unterschiedliche Stadtraumtypen

Für die ausgewählten Beispielquadranten der unterschiedlichen Stadtraumtypen wurden auf Basis der allgemeinen Empfehlungen spezifische Maßnahmenpakete zusammengestellt. Berücksichtigt wurden dabei u.a. die klimatische Wirkung (sowohl lokal als auch in der Umgebung) und die Effektivität der Einzelmaßnahmen. Daraus ergibt sich eine Prioritätenreihung für die empfohlenen Maßnahmen. Die Dringlichkeit ergibt sich aus unterschiedlichen Aspekten wie z.B. Bewohnerdichte und Nutzungsintensität, Versiegelungsgrad, fehlende Vegetation, geringe Beschattung durch Gebäude, etc.

Ergebnisse unterstützen StadtplanerInnen und die Stadtverwaltung

Die Ergebnisse sind als Planungsempfehlungen zusammengefasst und stehen auf der Projektwebsite als Download zur Verfügung. Sie liefern eine wichtige Entscheidungshilfe für städtebauliche Planungsprozesse und EntscheidungsträgerInnen und unterstützen die notwendige Bewusstseinsbildung für klima-sensitive Freiraum- und Stadtgestaltung. (Juli, 2014)

 Weiterführende Informationen:

Projektleitung:

Prof. DI Richard Stiles

Technische Universität Wien; Institut für Städtebau, Landschaftsarchitektur und Entwerfen

Projektpartner:

Austrian Institute of Technology GmbH; Energy Department

TU München; Lehrstuhl für Strategie und Management in der Landschaftsentwicklung

Projektlaufzeit: 1.5.2011 – 20.1.2014