Österreichischer Sachstandsbericht Klimawandel 2014

Unter enormem Medienecho wurde der europaweit erste nationale Sachstandsberichtveröffentlicht. Analog zu den Weltklimaberichten des IPCC fasst er das bestehende Wissen zum Klimawandel, den Auswirkungen in Österreich und zum Handlungsbedarf im Klimaschutz und der Anpassung zusammen. Der Bericht unterstreicht die Tatsache, dass der Klimawandel Realität ist und rasch gehandelt werden muss.

Der Klimawandel ist eine Realität und wissenschaftlich belegt. Er stellt eine der größten Herausforderungen für die Menschheit in diesem Jahrhundert dar. Die Auswirkungen sind auch in Österreich bereits messbar und spürbar. Die Temperaturextreme haben sich unverkennbar verändert. Die Anzahl der Hitzetage (Temperatur > 30°C) hat spürbar zugenommen. Fläche und Volumen der Gletscher sind insbesondere seit 1980 deutlich geschrumpft. In Lagen um 1000 m Seehöhe hat sich in den letzten Jahrzehnten die Dauer der Schneebedeckung verkürzt. Diese in Wissenschaftskreisen bekannten Fakten gaben den Anstoß für den nun vorliegenden ersten Österreichischen Sachstandsbericht Klimawandel 2014 (Austrian Assessment Report 2014 – AAR14).

Die Idee dahinter

Die bereits heute beobachteten Auswirkungen der Klimaänderungen und die erwarteten zukünftigen Auswirkungen erfordern ein rasches Handeln, um den Klimawandel zu bremsen und das Klima zu stabilisieren. So entstand die Idee, angelehnt an die Sachstandsberichte des IPCC, eine nationale Beurteilung für Österreich durchzuführen. Drei Jahre lang haben ca. 240 WissenschaftlerInnen aus rund 50 Institutionen gemeinsam an dem Bericht gearbeitet. Er gibt auf 1096 Seiten ein umfassendes Bild des aktuellen Wissens über den Klimawandel in Österreich, seine Folgen, über Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen sowie zugehörige politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen. Dargestellt werden aber auch Verständnis- und Wissenslücken. Analog zu den IPCC-Berichten beruht der österreichische Sachstandsbericht auf bereits publizierten Beiträgen und stellt den EntscheidungsträgerInnen relevante Informationen zur Verfügung, ohne jedoch dezidierte Empfehlungen abzugeben. Wesentliches Ziel war es, die vorliegenden Forschungserkenntnisse zusammenzuführen und zu analysieren und damit in ihrer Robustheit zu stärken.

Der Bericht ist in drei Bände gegliedert und die Kernaussagen liegen zudem in einer Zusammenfassung für Entscheidungstragende und einer Synthese vor.

Band 1 Klimawandel in Österreich: Einflussfaktoren und Ausprägungen beschreibt die naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels und die vergangenen und zukünftigen Ausprägungen in Österreich.

Band 2 Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft befasst sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die unterschiedlichen Elemente des Klimasystems (auf Hydro-, Bio-, Pedo- und Reliefsphäre) sowie auf Mensch, Wirtschaft und Gesellschaft.

Band 3 Klimawandel in Österreich: Vermeidung und Anpassung stellt mögliche Maßnahmen zur Minderung von Treibhausgasemissionen und zur Anpassung vor. Er zeigt Pfade für den Wandel hin zu einer klimafreundlicheren Gesellschaft und Wirtschaft auf.

Wie ist der Bericht entstanden?

Um ein dermaßen disziplinenübergreifendes und gesamthaftes Bild des Zustandes in Österreich zu zeigen, wurden alle zum Thema Klimawandel in Österreich forschenden Institutionen eingeladen. Rund 240 WissenschaftlerInnen aus ca. 50 Institutionen haben an dem dreijährigen Entstehungsprozess mitgewirkt. Der Klima- und Energiefonds hat die Arbeit durch die Finanzierung koordinativer Tätigkeiten und Sachleistungen ermöglicht. Die umfangreiche inhaltliche Arbeit wurde von den ForscherInnen unentgeltlich durchgeführt. Um die Bedürfnisse der potenziellen NutzerInnen aus Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft zu treffen, waren diese ebenso in den Erstellungsprozess eingebunden. Den gesamten Prozess hat ein internationales, wissenschaftliches Beraterteam begleitet. Um die Qualität des Berichtes zu sichern, fand ein Begutachtungsprozess mit über 70 GutachterInnen statt. Mehr als 2900 Kommentare und Fragen trugen zur Verbesserung der Qualität bei. Für Frau Prof. Dr. Helga Kromp-Kolb, eine der drei LeiterInnen des Projektes, ist besonders hervorzuheben, „...dass die umfangreiche inhaltliche Arbeit von den österreichischen Klimaforscherinnen und -forschern unentgeltlich geleistet wurde, wohlwollend unterstützt durch die jeweiligen Forschungsinstitutionen. Diese ungewöhnliche Leistung einer ganzen Forschungssparte unterstreicht die Bedeutung, welche diese Fachleute dem Klimawandel und seinen Folgen beimessen. Er enthält eine Fülle von Handlungsoptionen, die der Gesellschaft und insbesondere Entscheidungstragenden zur Verfügung stehen. Wenn jetzt nicht gehandelt wird, kann das nicht mehr mit Nicht-Wissen begründet werden. Es geht - auf allen Ebenen - ausschließlich um den Willen zu Handeln“ (Prof. Dr. Helga Kromp-Kolb).

Positives Echo zum Nutzen für Politik, Verwaltung, Wirtschaft,…

Der AAR14 versteht sich als nationale Ergänzung zu den periodisch erstellten Sachstandsberichten des IPCC und befasst sich spezifisch mit der Situation in Österreich. Er berücksichtigt dabei die naturräumlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Eigenheiten des Landes. Zugeschnitten auf Österreich zeigt der Bericht mögliche Zukunftsentwicklungen auf und stellt Handlungsoptionen für verschiedene Sektoren und EntscheidungsträgerInnen zur Verfügung. Die Resonanz von NutzerInnen fällt äußerst positiv aus. Für Gunter Sperka, Koordinator für Klimaschutz und Umweltplanung des Landes Salzburg führt „...diese beeindruckende Zusammenfassung des Wissens über den Klimawandel und seine Auswirkungen in Österreich uns wieder einmal vor Augen, wie verwundbar insbesondere die alpinen Regionen sind. Die Tatsache, dass die Klimaänderungen im Alpenraum schneller und in stärkerem Ausmaß als woanders passieren, zeigt die Dringlichkeit des Handelns, auch und gerade der Länder. Eine rasche Minderung der Treibhausgase in viel höherem Ausmaß als bisher und Anpassungsmaßnahmen müssen Hand in Hand gehen - die Ergebnisse des AAR14 sind auch Bestätigung und Handlungsauftrag für unser Programm „Salzburg 2050 klimaneutral.energieautonom.nachhaltig“!“ (Dr. Gunter Sperka).

Ähnlich der Klimaschutzbeauftragte des Landes Oberösterreich, Andreas Drack sieht enorme Vorteile für die Verwaltung und schlägt eine regelmäßige Aktualisierung des Berichts vor:
„Der Österreichische Sachstandsbericht bietet einen Gesamtblick auf die bislang fragmentiert vorliegenden Forschungsergebnisse. Für die Verwaltungen ist es nun möglich, in der täglichen Arbeit Bezug zu einem in der Wissenschaft abgestimmten Fachwerk nehmen zu können. Wünschenswert wäre, dass es in elektronischer Form jährliche Ergänzungen gäbe, um neue Erkenntnisse und fehlende Forschungsbereiche zeitnah einzuarbeiten. In zeitlicher Abstimmung zu den Berichten des Weltklimabeirats IPCC könnte das Gesamtwerk regelmäßig neu aufgelegt werden“ (DI Andreas Drack).

Auch für das Klimabündnis, das sich seit über zwei Jahrzehnten die Reduktion von klimaschädlichen Treibhausgasemissionen durch Umsetzung lokaler Klimaschutzmaßnahmen zum Ziel gesetzt hat, bietet der AAR14 eine wertvolle Unterstützung. Kern der Klimabündnis-Arbeit ist die Unterstützung lokaler Klimaschutz-Arbeit und zunehmend auch der Klimawandelanpassung. Für Petra Schön, Leiterin Klimabündnis NÖ ist „...der Sachstandsbericht Klimawandel 2014 eine hilfreiche Basis, um mit aktuellen Erkenntnissen und Zahlen beim Klimaschutz und der Klimawandelanpassung in eine klimafitte und zukunftsfähige richtige Richtung weiterzuarbeiten. Das Klimabündnis NÖ bietet seinen Mitgliedern – Gemeinden, Schulen, Kindergärten und Betrieben – zielgruppengerechte Angebote. Wir sehen unserer Rolle auch darin, die Fakten dieses geballten Wissens von 240 KlimaforscherInnen aufzubereiten und auf die lokale Ebene zu transferieren, damit es auch bei unseren Klimabündnis-Gemeinden ankommt“ (DI Petra Schön).

Was sind nun die wesentlichen Aussagen

Der Klimawandel geht in Österreich rascher vor sich als im globalen Mittel. In Österreich ist die Temperatur seit 1880 um nahezu 2°C gestiegen, im globalen Durchschnitt lag die Erwärmung bei 0,85°C. Bis Mitte des Jahrhunderts ist mit einem weiteren Temperaturanstieg um ca. 1,4°C zu rechnen. Temperaturextreme haben sich auffallend verändert, Tage mit > 30°C haben deutlich zugenommen, und diese Entwicklung wird sich fortsetzen, Hitzewellen werden zukünftig häufiger auftreten. Starke und extreme Niederschläge werden wahrscheinlich von Herbst bis zum Frühling zunehmen. In Westösterreich wurde in den letzten 150 Jahren eine Zunahme der Jahres-Niederschlagsmenge um ca. 10-15% beobachtet, im Südosten eine Abnahme. Die Gletscher haben sowohl an Volumen und Fläche verloren, in Lagen um 1.000 m Seehöhe hat sich die Dauer der Tage mit Schneedecke verkürzt. Bis zum Jahr 2030 werden das Eisvolumen und die Fläche der österreichischen Gletscher auf die Hälfte (im Vergleich zum Zeitraum 1985 bis 2004) zurückgehen. Die bereits gestiegenen Gewässertemperaturen werden weiter steigen, in Seen stärker als in Fließgewässern.

Bereits derzeit sind die ökonomischen Auswirkungen extremer Wetterereignisse erheblich und haben in den letzten drei Jahrzehnten zugenommen. Aber nicht nur extreme Wetterereignisse, sondern auch allmähliche Temperatur- und Niederschlagsänderungen werden ökonomische Auswirkungen mit sich ziehen; z.B. in Form von veränderten Ertragspotenzialen in der Energiewirtschaft oder durch geringere Schneesicherheit für den Wintertourismus.

Der Sachstandsbericht kommt zum Schluss, dass ohne verstärkte Anstrengungen zur Anpassung die Verletzlichkeit Österreichs gegenüber dem Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten zunehmen wird.

Die nationalen Treibhausgasemissionen sind seit 1990 gestiegen, obwohl sich Österreich mit dem Kyoto-Protokoll zu einer Minderung um 13% für den Zeitraum 2008 bis 2012 gegenüber 1990 verpflichtet hat. Bemühungen zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Förderung erneuerbarer Energien sind zu erkennen, aber noch nicht ausreichend. Für Österreich liegen keine langfristigen Minderungsziele, über den Horizont 2020 hinaus, bis 2050 vor.

Ein grundlegender Wandel ist notwendig

Die Realität des Berichtes zeigt, rasches Handeln ist notwendig. Damit die Folgen zukünftiger nicht noch gravierender ausfallen, müssen schon heute die richtigen Schritte gesetzt werden. Es müssen alle handeln, nur dann ist ein grundlegender Wandel zu einer emissionsarmen Gesellschaft möglich. Dies erfordert auch neuartige institutionelle Kooperationen, Änderungen im Wirtschaftssystem, Änderungen von vorherrschenden Konsum- und Verhaltensmustern, partizipative Prozesse und langfristig orientierte Politikmaßnahmen und Entscheidungen. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung ist vor allem eine bewusste Umorientierung von etablierten, klimaschädlichen Gewohnheiten im Lebensstil und im Verhalten aller erforderlich. Jill Jäger, Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats zum österreichischen Sachstandsbericht, hat die Arbeit vom Anfang an bis zur Präsentation am 17. September 2014 begleitet. Ihr ging es vor allem darum, dass der Prozess die Glaubwürdigkeit, Relevanz und Legitimität des Wissens im Auge behält. Aus ihrer Sicht zeigt der Bericht, „...dass eine Transformation Österreichs in eine emissionsarme Gesellschaft möglich ist. Es erfordert jedoch teilweise radikale strukturelle und technische Umbaumaßnahmen, soziale und technologische Innovationen und partizipative Planungsprozesse. Die Transformation kann in kleinen Gruppierungen in Österreich anfangen. Aber ohne Dialog mit allen gesellschaftlichen AkteurInnen, ohne eine gemeinsame Vision von hoher Lebensqualität mit niedrigen Emissionen und Ressourcenverbrauch, werden wir das Ziel nicht erreichen“ (Dr. Jill Jäger).

Für den Geschäftsführer des Klima-und Energiefonds, Ingmar Höbarth ist der Sachstandsbericht ein klarer Auftrag die begonnene Arbeit konsequent weiterzuführen: „…dass der Klimawandel auch Österreich erfasst hat, spüren und sehen wir seit einigen Jahren. Erstmalig in Österreich wurde nun mit dem Sachstandsbericht zum Klimawandel der aktuelle Stand des Wissens zur gesamten Dimension, den Auswirkungen und dem Handlungsbedarf zusammengefasst. Klar ist nun: Nur durch rasche und umfassende Maßnahmen können die schlimmsten Folgen des Klimawandels eingedämmt werden. Wir sehen uns durch diesen Bericht in unserer Arbeit bestätigt: Nur durch technologieorientierte Maßnahmen in Kombination mit einer nachhaltigen Transformation der Gesellschaft kann der Weg in eine neue, zukunftsfähige Energie-und Mobilitätszukunft gegangen werden.“ (DI Ingmar Höbarth)

Veröffentlichung erregte Aufmerksamkeit

Der Bericht wurde am 17. September 2014 im Rahmen einer Veranstaltung mit mehr als 300 Teilnehmenden und einer Pressekonferenz unter Teilnahme von Bundesminister Andrä Rupprechter und dem Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds Ingmar Höbarth der breiten Öffentlichkeit präsentiert. Die Berichterstattung in den Medien war enorm. Nicht nur am Tag der Veröffentlichung sondern noch Tage danach beschäftigten sich die Schlagzeilen und Beiträge fast aller Tageszeitungen und des ORFs mit dem österreichischen Sachstandsbericht und seinen Inhalten. Auch unter den LeserInnen sorgte der Bericht für Aussehen, dies zeigt z.B. die Anzahl von 1.415 Postings (Stand 7. Oktober) zu einem Beitrag im Standard.

Der österreichische Sachstandsbericht, die Zusammenfassung für Entscheidungstragende, die Synthese und die Videos zur Veranstaltung vom 17. September stehen auf der Website des Austrian Panel on Climate Change zum Download zur Verfügung.

Der vollständige Bericht in gedruckter Version ist beim Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zu erwerben. (Oktober, 2014)

Weiterführende Informationen:

Projektleitung:

Univ. Prof. Dr. Helga Kromp-Kolb, Universität für Bodenkultur,

Univ. Prof. Dr. Nebojsa Nakicenovic, IIASA

Univ. Prof. Dr. Karl W. Steininger, Wegener Center für Klima und Globalen Wandel

Österreichischer Sachstandsbericht Klimawandel 2014 - Austrian Panel on Climate Change

„Österreichischer Sachstandsbericht Klimawandel 2014“ – Kurzfilme zu den Ergebnissen

Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Informationen auf den Seiten des Klima- und Energiefonds