Land unter? Mit Versickerungsflächen Überflutungen vorbeugen

Was tun mit Regenwasser, wenn die Starkregenfälle intensiver werden? Sechs von neun Bundesländern bieten Leitfäden zur Oberflächenentwässerung zum Download an. Die Gestaltung ist sehr unterschiedlich – jedes Land setzt andere Schwerpunkte. Ein Überblick.

Luftbild auf eine zerstreute Siedlung

Der Flächenverbrauch steigt in Österreich

 Wir in Österreich bauen gerne. Der Verbrauch von Boden steigt in Österreich unverhältnismäßig schnell. Auf jeden Österreicher und jede Österreicherin kamen im Jahr 2016 knapp 265 m² versiegelte – sprich wasserundurchlässige – Fläche. Zum Vergleich: Im Jahr 2001 lag dieser Wert noch bei 232 m² pro Person. Das heißt, der Flächenverbrauch wächst in Österreich schneller als die Bevölkerung.

Stark, stärker, Starkregen: Starkniederschläge werden intensiver

Je mehr Boden wir versiegeln, desto weniger Flächen stehen zur Verfügung, auf denen Niederschläge versickern und verdunsten können. Das auf den versiegelten Flächen anfallende Wasser muss abgeleitet werden, damit Verkehrswege und Keller nicht überflutet werden oder sonstige Schäden an der Infrastruktur entstehen, etwa durch Frost. Eine Herausforderung ist dies insbesondere deshalb, weil kleinräumige Starkregenfälle infolge des Klimawandels intensiver werden.

Man spricht von Starkregen bzw. Starkniederschlag, wenn im Verhältnis zur Dauer besonders viel Niederschlag fällt und dieser daher selten auftritt. Dass Starkregenfälle größere Niederschlagsmengen bringen, hängt mit der steigenden Lufttemperatur zusammen, ist jedoch auch von lokalen Faktoren wie der Bodenfeuchte und der Schichtung der Luftmassen abhängig. Eine höhere Lufttemperatur verstärkt die Verdunstung und erhöht dadurch die Wasserdampfkapazität in der Atmosphäre. Damit steht für ein Niederschlagsereignis mehr Wasserdampf zur Verfügung, was wiederum zu größeren Niederschlagsmengen beiträgt. Kleinräumiger Starkregen tendiert bei unveränderlichen Wetterlagen dazu, immer wieder im selben Gebiet aufzutreten. Der Regen führt dem Boden Feuchtigkeit zu, die anschließend verdunstet. Daraus ergibt sich Potential für neuerlichen Regen.

Ob Starkregenfälle in Zukunft nicht nur intensiver, sondern auch häufiger auftreten werden, können Klimaexpertinnen und -experten aus den derzeit verfügbaren Daten nicht eindeutig ablesen.

Mit Versickerungsflächen Überflutungen vorbeugen

Umso wichtiger ist es, Straßen und Siedlungsanlagen sorgfältig zu entwässern. Je nach den Eigenschaften des Untergrundes und der Art der Fläche, die entwässert werden muss, stehen verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl. Ausschlaggebend für die Wahl des geeigneten Systems ist unter anderem, wie stark verschmutzt das Wasser ist. Generell sollte die aktive Bodenschicht etwa 30 cm mächtig sein, damit auch leicht verschmutztes Wasser – etwa von der Straße – noch ausreichend gefiltert und gereinigt wird, bevor es ins Grundwasser gelangt.

Welche Entwässerungssysteme gibt es?

Am natürlichsten ist die Flächenversickerung, bei der das Niederschlagswasser auf einer offenen begrünten oder durchlässig befestigten Oberfläche versickern kann und so in den natürlichen Kreislauf eingespeist wird.

Neben Siedlungsgebieten oder Straßen eignet sich die Mulden- oder Beckenversickerung. Das Wasser sammelt sich in bewachsenen Mulden, wo es gespeichert wird und langsam versickern kann. Die Mulden können mit Stauden, Gräsern oder Röhrichten bepflanzt sein, damit der Boden gut durchwurzelt wird. Zusätzlich lässt sich mit den Pflanzen die Umgebung ästhetisch gestalten.

Bei der Rigolversickerung wird das Wasser in ein perforiertes Rohr oder einen wasserdurchlässigen Speicherkörper aus Kies oder Kunststoff geleitet. Von dort versickert der Niederschlag in den Untergrund. Diese Art der Entwässerung eignet sich vor allem dort, wo wenig Platz zur Verfügung steht oder der Untergrund schlecht wasserdurchlässig ist.

Die Mulden-Rigolversickerung vereint die Vorteile beider Systeme.

Bei der Retention sammelt sich das Wasser in einem abgedichteten Becken oder Graben und wird erst bei hohen Wasserständen über eine nahe Versickerungsfläche dem Untergrund zugeführt.

Eine weitere Möglichkeit ist, das Niederschlagswasser über Rohre in ein Fließgewässer einzuleiten. Dieses fehlt dann allerdings für die Grundwasserneubildung. Zudem besteht die Gefahr, dass die Ausleitung oder das Fließgewässer bei Starkregen überlastet werden und es zu Überschwemmungen kommt. Aus ökologischer und wasserwirtschaftlicher Sicht eignet sich diese Variante daher nur in Ausnahmefällen.

Rechtliche Grundlagen und Regelwerke zur Oberflächenentwässerung

In Österreich gibt es umfassende und detaillierte Regelungen für die Entwässerung von Dach-, Park- und Straßenflächen. Die rechtliche Grundlage bildet das Wasserrechtsgesetz (WRG). Darüber hinaus stehen Bemessungsniederschläge, Ö-Normen und mehrere Regelblätter des Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverbands (ÖWAV) als hydrographische und technische Unterlagen zur Verfügung.

Hilfsmittel für die Praxis: Die Leitfäden der Bundesländer

Jedes Bundesland weist unterschiedliche geographische, topographische und naturräumliche Bedingungen auf. Daher haben sechs von neun Bundesländern zusätzlich zu den Regelblättern eigens für ihr Bundesland einen Leitfaden mit Empfehlungen und Hintergrundinfos für die Planung von Entwässerungssystemen veröffentlicht. Sie alle legen den Fokus darauf, flächenhafte, möglichst naturnahe Versickerungssysteme zu fördern. Punktuelle Versickerungsanlagen und Einleitungen in Fließgewässer sollten nur installiert werden, wenn der Untergrund schlecht wasserdurchlässig ist oder das Abwasser zu stark für die Versickerung im Boden verschmutzt ist und geklärt werden muss.

  • Besonders kompakt schafft es der Kärntner Leitfaden, einen Überblick über die gesetzlichen und technischen Rahmenbedingungen zu geben. Zusätzlich zeigt er, welches Entsorgungssystem die ökologisch und wasserwirtschaftlich günstigste Variante für Parkflächen, Dachflächen oder Straßen ist.
  • Auch der Tiroler Leitfaden hält sich kurz. Die verschiedenen Entsorgungssysteme werden mit Fotos und Skizzen bebildert. Außerdem enthält der Leitfaden Hinweise, was bei Planung, Bau und Betrieb zu beachten ist.
  • Der Leitfaden für Vorarlberg arbeitet mit Tabellen und Kategorien, anhand derer die Planungsverantwortlichen die geeignete Entwässerungsvariante abschätzen können. Die verschiedenen Varianten werden kurz beschrieben und mit Bildern und Skizzen ergänzt.
  • Das Land Steiermark hat den Leitfaden erst kürzlich überarbeitet und die aktualisierte Fassung im August 2017 veröffentlicht. Dieser ist mit 61 Seiten am umfangreichsten und gibt detaillierte Hintergrundinformationen. Beispielweise beschreibt der Leitfaden, welche naturräumlichen Voraussetzungen die Planerinnen und Planer berücksichtigen sollten. Besonders hilfreich sind die Hinweise, woher man entsprechende Datenquellen zu Niederschlag, der geologischen und hydrologischen Situation, der Topographie und dem Vorfluter beziehen kann.
  • Der Leitfaden für Oberösterreich ist Dank der Schlagworte am Randstreifen neben dem Text sehr übersichtlich aufgebaut. Zusätzlich zum Leitfaden kann man ein Merkblatt von der Website des Landes herunterladen, das auflistet, welche Einreichunterlagen für Versickerungsanlagen notwendig sind.
  • Das Land Niederösterreich hat zwei verschiedene Leitfäden herausgebracht – einen für Planerinnen und Planer, den anderen für Gemeinden. Beide sind sehr praxisnah und orientieren sich an den relevanten Fragestellungen der jeweiligen Zielgruppe. Der Schwerpunkt liegt auf naturnahen Entwässerungsmethoden in Siedlungsgebieten. Als Ergänzung stellt der Leitfaden ein positives Praxisbeispiel aus Mistelbach im Weinviertel vor.

Wien, Salzburg und das Burgenland haben bisher keinen Leitfaden zur Oberflächenentwässerung herausgegeben. Das Land Salzburg erarbeitet derzeit einen Leitfaden, der voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2018 veröffentlicht werden soll.

Gruppenfoto der Preisverleihung zum Wiener Modell
Die Abteilung Straßenverwaltung und Straßenbau (MA 28) wurde für das "Wiener Modell zur Versickerung von Straßenwässern" mit dem Wiener Ingenieurpreis 2016 ausgezeichnet.

Die Stadt Wien hat zwar noch keinen Leitfaden herausgebracht, entwickelte jedoch das erste duale Modell zur Entwässerung von Straßen, bei dem die chloridbelasteten Wässer in den Kanal abgeführt und die wenig verunreinigten Straßenwässer in kaskadenförmig angeordnete Sickermulden eingeleitet werden. Die Sammlung des Wassers in Gräben neben der Straße verhindert gleichzeitig, dass die bereits überlasteten Kanäle bei Starkregen überflutet werden. Für dieses Modell gewann die Abteilung Straßenverwaltung und Straßenbau (MA 28) den Wiener Ingenieurpreis 2016. Es ist geplant, eine Pilotanlage in der Seestadt Aspern zu errichten. Diese wird mit Unterstützung der Universität für Bodenkultur (BOKU) getestet und – wenn notwendig – adaptiert. Wenn sich die Pilotanlage in der Praxis bewährt, wird das Modell an geeigneten Straßen in der Seestadt Aspern installiert werden.

Wie man sieht, finden sich immer wieder neue Lösungen für anfallende Regenmengen. (AS, Februar 2018)