Die Deckung von Katastrophenschäden - zwischen staatlicher Kompensation und privater Versicherung

Welche Modelle zur Versicherung von Naturkatastrophen und Kompensationszahlungen gibt es in Europa? Welche Lehren daraus sind für Österreich relevant? Spätestens seit dem Jahrtausendhochwasser 2002 wurde das Thema wiederholt diskutiert. Das Projekt InsAdapt befasst sich mit der Frage, wie sozial, politisch und wirtschaftlich vertretbare Lösungen für Österreich aussehen können.

Bereits heute stellen Überschwemmungen eines der bedeutendsten Klima- bzw. Wetterrisiken in Österreich dar. Die wirtschaftlichen Schäden durch Hochwässer sind heute schon beträchtlich, so hat das Hochwasser im Jahr 2002 Schäden in der Höhe von ca. 3,2 Mrd Euro, das Hochwasser im Jahr 2013 in der Höhe von ca. 870 Mio Euro verursacht. Bis Mitte des Jahrhunderts kann ein 100-jährliches Hochwasser allein zu Gebäudeschäden in Höhe vonbis zu 4 Mrd. Euro führen (Steininger et al. 2015).

Um zukünftig Schäden durch Hochwasser entscheidend vermindern zu können, ist neben wasserwirtschaftlichen Maßnahmen eine verstärkte Kooperation zwischen Planung, Verwaltung und Bevölkerung notwendig. Aber auch private Vorsorge und Lenkungsmaßnahmen wie Schadenskompensation oder Versicherungslösungen sind zu diskutieren.

Die Vergabe von Mitteln aus dem Katastrophenfonds wurde wiederholt in den Medien, von Betroffenen und von ExpertInnen als intransparent und zu wenig treffsicher kritisiert. In Erwartung staatlicher Unterstützung werden private Schutz- und Vorsorgemaßnahmen sowie private Versicherungslösungen noch vernachlässigt. Das trotz Schutzbauten verbleibende Restrisiko ist nicht hinlänglich bekannt. Diese Aspekte, steigende Hochwasserschäden sowie stärkere und häufigere Hochwässer waren Anlass, sich im Rahmen des vom Klima- und Energiefonds geförderten Projekts InsAdapt (Insurance of Adaptation) mit dem Thema Versicherungen und Risikoreduktion im Kontext mit Naturgefahren zu befassen.

Reformvorschlag vorhanden

Nach den Hochwässern 2002 und 2005 wurde ein umfassender Reformvorschlag für eine Naturkatastrophenversicherung (NatKat-Versicherung) in Österreich unter Einbindung diverser Ministerien und dem Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs erarbeitet. Dieser versucht sowohl wirtschaftlichen als auch sozialen Kriterien zu genügen, um so Naturgefahren leistbar, effektiv und effizient zu versichern.  Eine Umsetzung des überwiegend positiv beurteilten Vorschlags ist laut ExpertInnen in naher Zukunft unwahrscheinlich.

Vor allem nach größeren Hochwasserereignissen taucht eine verpflichtende "NatKat Versicherung für alle“ als Schlagwort immer wieder in den Medien und in öffentlichen Stellungnahmen auf. Dies steht oft in Verbindung mit Kritik am bestehenden Kompensationssystem. Abgesehen von diesem Reformvorschlag gab es keine bisher transparente Stakeholder-Diskussion dieser und anderer Reformmöglichkeiten.

Herausforderung NatKat Versicherung

Der Kompensation oder Versicherung von NatKat Schäden ist, anders als bei einer gewöhnlichen Haushalts- oder Haftpflichtversicherung, nicht einfach durch eine privatwirtschaftliche Lösung beizukommen. Im Falle einer Katastrophenversicherung sind die potentiell sehr hohen Schadensforderungen zu bedenken, die zeitgleich bei einem katastrophalen Ereignis auftreten. Dadurch ist eine Versicherung zu einer leistbaren Prämie durch ein privates, gewinnorientiertes Unternehmen schwer möglich. Gleichzeitig besteht das Problem der adversen Selektion, d.h. der Umstand, dass sich nur Menschen, die sich einem hohen Risiko ausgesetzt sehen, freiwillig zusätzlich dagegen versichern. Um ein marktwirtschaftlich sinnvolles Modell zu schaffen, müsste daher die Bevölkerung direkt oder indirekt zu einer Versicherung verpflichtet werden. Deshalb ist eine regulierende und/oder absichernde Beteiligung der öffentlichen Hand oft sinnvoll, wenn nicht notwendig.

Mehr Transparenz und klare Vergaberichtlinien

Die Kritik an der aktuellen Situation lässt unterschiedliche Wünsche durchblicken, von Seiten der Bevölkerung den Wunsch nach Transparenz und auch nach einheitlichen Vergabemechanismen, aber auch nach mehr Eigenverantwortung und Effizienz im Sinne eines sinnvollen Einsetzens der Zahlungen – so werden aktuell im Zuge der Schadenssanierung zusätzlich gesetzte Hochwasserschutzmaßnahmen, die ursprünglich nicht implementiert waren, aber zukünftige Schäden und somit Kompensationszahlungen verhindern können, nicht aus dem Katastrophenfonds abgegolten.

Effizienz im Sinne einer Marktlösung

Versicherungen und teilweise auch die öffentliche Hand vertreten derzeit den Standpunkt, dass eine sinnvolle Schadensversicherung unter den aktuellen Umständen nicht möglich ist. Eine Abschaffung der Kompensationszahlungen und eine Umwidmung der Mittel zur Rückversicherung bzw. als Garantie für die Versicherer im Falle besonders großer Schadenssummen, gilt als überlegenswerte Option. Dieser Vorschlag lässt sich als der Wunsch nach mehr Effizienz im Sinne einer Marktlösung übersetzen.

Kompensation als Zeichen der Solidarität

Das Weiterführen der Schadenskompensation im Sinne der Solidarität - also der Hilfe an alle Opfer einer Katastrophe, ohne auf besondere Umstände explizit Rücksicht nehmen zu müssen - wird oft von Seite der Politik befürwortet. Ein Argument dafür ist, dass der Katastrophenfonds eine indirekte Versicherungslösung darstellt, bei der die gesamte Bevölkerung durch die Lohnsteuer einen Beitrag leistet. Während dieses Argument in Anbetracht des nicht vorhandenen rechtlichen Anspruchs auf eine Kompensation aus dem Fonds nur bedingt hält, muss andererseits eingestanden werden, dass auch eine Versicherungspflicht als zusätzliche Steuer interpretiert werden kann.

Herausforderung privaten Hochwasserschutzes

Neben den Wünschen der Bevölkerung, der Versicherer und der öffentlichen Hand rechnen wir in Zukunft mit weiteren Herausforderungen. Dabei handelt es sich um die sowohl klimatisch als auch sozio-ökonomisch bedingte Erhöhung der Schäden durch besonders extreme Katastrophenfälle. Dies legt nahe, dass die Bemühungen des Staates, das Risiko mit großen infrastrukturellen Maßnahmen zu mindern, durch private Maßnahmen auf Haushaltsebene ergänzt werden sollten, die über die Schadensversicherung hinausgehen. Damit wird dem verbleibenden Restrisiko Rechnung getragen und Schäden, zumindest im Kontext „gewöhnlicher“ und absehbarer Überschwemmungsereignisse, bleiben versicherbar bzw. kompensierbar.

überflutete Straße

Lehren aus dem Ausland

Nicht nur in Österreich ist die Reform des bestehenden Kompensationsschemas ein Thema. Während aus der Sicht der Forschung aktuell eine quasi Pflichtversicherung mit risiko-basierten Prämien und staatlicher Unterstützung in besonders schwerwiegenden Fällen als ideal gilt, ist dieser Ansatz in der Praxis wenig erprobt und stößt immer wieder auf Schwierigkeiten bei der Implementierung.

Die meisten funktionierenden NatKat Versicherungs- und Kompensationssysteme Europas haben zumindest vier Gemeinsamkeiten:

(1) es sind in den meisten Fällen umfassend regulierte öffentlich-private Partnerschaften. Das geht soweit, dass die Schweiz ein staatliches Monopol unterstützt, oder Frankreich umfassende Staatsgarantien und Rückversicherung anbietet. Spanien unterstützt das eigene verpflichtende System durch Erlöse aus anderen Versicherungen. Diese Ausnahmeregelung wurde beim spanischen EU-Beitritt verhandelt und ist ebenso wie das schweizerische Monopol in der EU eigentlich nicht zulässig. Möglich wäre eine norwegische Lösung, nämlich eine staatlich vorgegebene Versicherungslösung in Form eines regulierten Versicherungspools, die alle privaten Versicherer anbieten.

(2) All diese Lösungen haben eine Form standardisierter Prämien, die das tatsächliche Risiko nicht berücksichtigen und dadurch für die gesamte Bevölkerung leistbar bleiben.

(3) Die Versicherung ist direkt verpflichtend oder an eine Pflichtversicherung gekoppelt.

(4) Es handelt sich in allen Fällen um in den jeweiligen Ländern etablierte und bewährte Lösungen.

Nur in wenigen Fällen gibt es aktuell privatwirtschaftliche Lösungen, die mit risiko-basierten Prämien erfolgreich sind. In Deutschland, zum Beispiel, ist die Marktdurchdringung seit den Überflutungen 2002 kontinuierlich gestiegen, obwohl sich die Regierung damals für ad-hoc Kompensationszahlungen entschied. Versicherer bemühen sich um innovative Pilotprojekte, um Anreize zur privaten Risikoreduktion zu schaffen. Belgien ist das einzige Land, wo im letzten Jahrzehnt vergleichsweise erfolgreich ein neues öffentlich-privates Versicherungsmodell umgesetzt wurde, das risikobasierte Prämien zulässt.

Schlussfolgerungen für Österreich

Ein breiter Dialog, unter Einbeziehung von Bund, Ländern und Gemeinden, VertreterInnen aus Versicherungen, ExpertInnen und der Bevölkerung, zur Diskussion der Für und Wider verschiedener Reformmöglichkeiten, ist ein wichtiger und in diesem konkreten Zusammenhang für Österreich ein neuer Ansatz um eine tragfähige Lösung zu erzielen.

Während seit Jahren ein Vorschlag für eine Naturkatastrophenversicherung vorliegt, sind weitere Reformoptionen, die ganz dezidiert auf die österreichischen Besonderheiten und das österreichische Umfeld eingehen, aus der Sicht des Projektteams noch nicht ausreichend diskutiert.

Eine solche Debatte, die nur sehr bedingt auf Basis konkreter Zahlen geführt werden kann und der viele Unsicherheiten anhaften, bedarf einer besonderen Methode. Als letzter Meilenstein im Projekt organisieren wir deshalb einen Stakeholder-Workshop auf Basis einer Multi Kriterien Analyse (MCA), um mit einer wissenschaftlich abgesicherten Methode überlegenswerte Optionen für Österreich zu evaluieren. Beim Workshop werden VertreterInnen von Bund, Ländern und Gemeinden sowie von Seiten der Versicherungswirtschaft mögliche Reformvorschläge diskutieren und anhand verschiedener Kriterien qualitativ bewerten. Aus den Ergebnissen des Workshops und den bisherigen Erkenntnissen aus dem Projekt werden konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung der derzeitigen Situation in Österreich abgeleitet. (Oktober, 2015)

Dieser Artikel wurde von Susanne Hanger erstellt

Weiterführende Informationen:

Projektleitung: Reinhard Mechler

ProjektmitarbeiterInnen: Susanne Hanger, Anita Atreya, Howard Kunreuther, Mchel-Kerjan, Anna Lorant und Stefan Hochrainer;

Projektbearbeitung: IIASA: International Institute for Applied Systems Analysis

Projektlaufzeit: Februar 2013 – Jänner 2016

Projektwebsite