Klimafonds-Geschäftsführer Ingmar Höbarth im Gespräch über KLAR!

Über eine Million Menschen leben bereits in den bisher 44 KLAR!-Regionen Österreichs. Anlässlich dieses Rekords sowie der dritten Ausschreibung werfen wir einen Blick auf den Klima- und Energiefonds als Initiator und Träger des KLAR!-Programms. Geschäftsführer Ingmar Höbarth gibt in einem Interview Einblick in die Mission des KLAR!-Programms und was wir aus der COVID-Krise für die Klimakrise lernen können.

Foto Ingmar Hoebarth
Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds DI Ingmar Höbarth

Klimawandelanpassung: Ingmar, du bist seit der Gründung im Jahr 2007 Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds. Was ist das Spannendste an deiner Position als Geschäftsführer und was motiviert dich in deiner Arbeit?

Ingmar Höbarth: Das Spannende ist die Möglichkeit zu gestalten. Und zwar das Gestalten von Strategien, wie wir unser Energie- und Mobilitätssystem möglichst rasch in nachhaltige Systeme umändern können. Wir arbeiten an der Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Industrie, Betrieben und der Bevölkerung. Das ist eine sehr spannende Drehscheibe, die wir gemeinsam mit verschiedenen Expertinnen und Experten in Bewegung bringen. Dass wir dafür auch Budgetmittel zur Verfügung haben, ist wirklich gut, da können wir viel bewegen. Das ist auch mein Lebensmotto, ich wollte immer viel bewegen. Schon 1982 war ich als junger Student Gründungsmitglied der Organisationen Greenpeace und GLOBAL 2000 in Österreich, um eine nachhaltige Zukunft zu gestalten. Das ist meine Motivation.

Beim ersten KLAR!-Call 2016 gab es 23 KLAR!-Regionen. Jetzt, vier Jahre später, sind es mit 44 Regionen fast doppelt so viele. Wie viele KLAR!-Regionen soll es 2030 geben?

KLAR! ist ein sich dynamisch entwickelndes Programm. Ich rechne mit einem wesentlichen Anstieg der Einreichungen, weil die Probleme vor Ort immer spürbarer werden. Die Gemeinden und Bürgermeister sind entsprechend gezwungen, Maßnahmen zu setzen. Da stellt sich die Frage: Was tun, woher nimmt man Know-How? Dafür ist das KLAR!-Programm gestaltet. Das Konzept bei KLAR! ist wie bei KEM (Klima- und Energiemodellregionen, Anm.): Vor Ort Know-How anzureichern, damit vor Ort Lösungen gefunden werden können. Dieser Wissensschatz sollte dann allen zugutekommen.

In dem Sinn sollten bis 2030 nicht einfach immer mehr Regionen dazukommen, sondern ganz Österreich sollte KLAR! und KEM sein. Damit könnten wir dann das Modell für Europa sein.

Du warst trotz deiner vielen anderen Termine als Geschäftsführer bei vielen KLAR!-Workshops dabei. Was hast du von den Workshops für dich und die weitere Arbeit im Klimafonds mitgenommen?

Was mich besonders freut ist, dass die Workshops zielgerichtet bei jenen landen, für die wir sie machen: bei den KLAR!-Managerinnen und -Managern. Sie finden dort die Themen und das Wissen, das sie brauchen und einen Raum, wo sie sich untereinander austauschen können.

Vor der Corona-Krise hat der informelle Austausch beim Mittagessen oder Abendessen gut funktioniert, das fällt im Moment leider weg. Aber inzwischen ist eine gewisse Kultur unter den KLAR!-Managerinnen und -Managern aufgebaut. Es sind viele Querverbindungen entstanden, mittlerweile ist es wie eine Art KLAR!-Familie.

Welche Vision hast du als Vertreter des Klimafonds für die KLAR!-Regionen bzw. das KLAR!-Programm?

Ich sehe es eher als Mission – das Programm wird gebraucht. Wir brauchen Lösungsansätze für diverse Probleme, die wir in den Regionen haben oder noch erwarten werden. Unterstützt von Prognosen, Daten und Zahlen sollen die Entscheidungstragenden in den Gemeinden zukunftsfähige Entscheidungen treffen können.

Wenn zum Beispiel eine Gemeinde in ein Abwassersystem investiert aber sich nicht anschaut, wie sich der Abfluss in den nächsten 20 Jahren entwickeln wird, baut sie unter Umständen ein unterdimensioniertes System, weil Starkregen mit hohen Abflussspitzen zunimmt. Dann entstehen im Laufe der Jahre enorme Kosten, weil das System nicht passt. Das kann man auch auf die Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Gesundheit, Infrastruktur – eigentlich auf alle Sektoren – umlegen.

Die Mission ist also: Belastbares Know-How aufbauen, wie man mit diesen Themen gut umgehen kann und dieses Know-How dann weitergeben. Ziel ist dabei, dass die Regionen lebenswert bleiben und sie so gut es geht mit den Folgewirkungen des Klimawandels umgehen können. Damit wir den wirtschaftlichen Schaden in Grenzen halten können.

Wo steht die politische Relevanz des Themas Klimawandel und Anpassung heute im Vergleich zu vor fünf Jahren? Wenn das Jahr 2015 bei 0 steht, wo stehen wir heute auf einer Skala von -10 bis +10?

Mit der derzeitigen Regierung liegt die Wertigkeit bei +7. Den Kompromissen geschuldet ist im Moment noch nicht mehr möglich, aber es ist schon mehr als vor fünf Jahren. Damit können wir aber noch nicht zufrieden sein.

Was können wir aus der COVID-Krise für die Klimakrise lernen?

Die Corona-Pandemie ist ein Lehrstück für die Politik. Sie ist eine gesellschaftliche Krise für die Nation bzw. für den ganzen Globus, daher ist sie gut mit der Klimakrise zu vergleichen. Nur ein gemeinsames abgestimmtes Handeln ist zielführend. Das sieht man gut auf der nationalen Ebene, wo plötzlich sehr rasch große Maßnahmen gesetzt werden. Man ist in einer sehr dynamischen Situation, wo schnelle Entscheidungen gefordert sind – daher passieren auch viele Fehler.

Das gemeinsame Bewältigen von Problemen – und das möglichst rasch mit entsprechendem Budget – das brauchen wir auch für die Klimakrise. Noch haben wir Zeit, die Klimakrise anzugehen. Wenn wir das jetzt nicht tun, kommen wir aber in die gleiche dringende Situation, die wir jetzt mit Corona haben, das ja unvorhersehbar war.

Der große Unterschied zwischen den beiden ist: Die Klimakrise bietet uns jede Menge Chancen für die Zukunft: Arbeitsplätze, Wertschöpfung, eine bessere Zukunft. Die Pandemie müssen wir ganz einfach in den Griff bekommen.

Zum Abschluss: Was wünscht du dir für Klimaschutz und Anpassung in Österreich?

Ich wünsche mir, dass rasch flächendeckendes Bewusstsein dafür entsteht bei denjenigen, die davon betroffen sind – in den Gemeinden, bei den Bürgermeistern – bevor sie mit Schäden konfrontiert sind. Alle sind in verschiedener Art und Weise und unterschiedlicher Intensität davon betroffen. Jetzt hat man noch Zeit, vorkehrend richtige Maßnahmen zu treffen.

In den KLAR!-Regionen sehen wir: Das Bewusstsein wächst dort rapide an. Außerhalb der KLAR!-Regionen ist es noch nicht so da. Das Bewusstsein, dass die Klimawandelanpassung gemeinsam mit der Umstellung des Energie- und Mobilitätssystems gleichwertig ist, ist in der Gesellschaft noch nicht verankert.

Herzlichen Dank für das Interview!

Informationen zum KLAR! Programm

KLAR!, das europaweit erste derartige Programm, unterstützt österreichische Regionen dabei, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen und den Wohlstand im ländlichen Raum abzusichern bzw. auszubauen. Mit Hilfe des Programms, das vom Klima- und Energiefonds 2016 in Kooperation mit dem BMK (damals Lebensministerium) gestartet wurde, entwickeln Modellregionen in ganz Österreich ihr maßgeschneidertes Anpassungskonzept und regional zugeschnittene Maßnahmen und setzen diese in weiterer Folge um. Seit dem Frühjahr 2018 implementieren die ersten Regionen die geplanten Maßnahmen, diese werden von 44 Regionen nun weiter vertieft. Mit diesem Förderprogramm ist Österreich europaweit Vorreiter in der regionalen Klimawandelanpassung und verbindet einen Bottom-Up-Ansatz mit den Zielen der nationalen Klimawandelanpassungsstrategie.

Eine Ausschreibung für die Bewerbung neuer Regionen läuft aktuell bis zum 29.01.2020. Weitere Informationen dazu finden Sie in der Infobox. (AS, Dezember 2020)