DISCC-AT: Soziale Klimarisiken sichtbar gemacht

Klimafolgen treffen nicht alle Menschen gleich. Das Projekt DISCC-AT zeigt erstmals auf nationaler Ebene, wie stark soziale Ungleichheiten die Verwundbarkeit gegenüber Hitze und Hochwasser in Österreich prägen. Die neu erstellten Risikoprofile zeigen die derzeitige und zukünftige Betroffenheit vulnerabler Gruppen und bieten eine wichtige Grundlage für gezielte und gerechte Klimawandelanpassung.

Klimafolgen wie Hitze und Hochwasser sind nicht nur Wetterereignisse, sie haben auch eine soziale Komponente, weil sie Menschen ungleich stark treffen. Das Projekt DISCC-AT untersuchte, wer in Österreich besonders gefährdet ist.

Ziel war es, eine empirisch fundierte Grundlage für gerechte und zielgerichtete Anpassungsmaßnahmen zu schaffen. Das Forschungsteam kombinierte dafür qualitative Interviews mit hochaufgelöster Modellierung, Gesundheitsanalysen sowie makroökonomischen Simulationen.

Zur Bestimmung der Vulnerabilität reicht ein einzelner Faktor wie „ältere Menschen“ oder „Einkommensschwache“ nicht aus. Entscheidend sind die Kombinationen von Eigenschaften, die die Vulnerabilität bestimmen, etwa: Alleinerziehende mit geringem Einkommen in städtischen Hitzeinseln, oder ältere, pflegebedürftige Menschen in ländlichen Hochwassergebieten. Diese sogenannten intersektionalen Risikoprofile machen deutlich, für welche Personengruppen gezielte Maßnahmen besonders nötig sind und wie viele Menschen dazugehören. Für die Darstellung der geografischen Verteilung dieser vulnerablen Gruppen wurden Karten erstellt. 

Ein Beispiel dafür ist die untenstehende Grafik zum Risikoprofil „Armutsgefährdete Personen in ländlichen und suburbanen Gebieten“. In ländlichen und stadtnahen Regionen sind Menschen mit niedrigem Einkommen von durchschnittlich nur 10.300 €/Jahr und schlechter Wohnqualität besonders von Hitze betroffen. Vier Prozent der österreichischen Bevölkerung fallen in dieses Profil und sind rund 21 Hitzetagen pro Jahr ausgesetzt. 

Die Abbildung zeigt die Verteilung des Risikoprofils von Armutsgefährdete Personen in Österreich
Räumliche Verteilung des Risikoprofils „Armutsgefährdete Personen in ländlichen und suburbanen Gebieten“

Zusätzlich zur aktuellen Situation wurden auch die zukünftige Entwicklung vulnerabler Gruppen gegenüber Hitze bis 2080 mit unterschiedlichen Szenarien (inkl. Bevölkerungsentwicklung oder Ungleichheit) abgeschätzt. Es zeigt sich, dass bis Mitte bzw. Ende des Jahrhunderts der Großteil der Bevölkerung von einem, aus heutiger Sicht, hohem Hitze-Risiko betroffen sein wird. Mit steigenden Temperaturen drohen hier ein starker Anstieg der gesundheitlichen Auswirkungen und der Hitze-Übersterblichkeit.

Im Bereich Hochwasser und sozialer Ungleichheit wurden die gegenwärtigen und zukünftigen Auswirkungen von sozialen Faktoren im Einzugsgebiet großer Flüsse bei einem 250-jährlichen Hochwasserereignis dargestellt.

Die Abbildung zeigt eine Hotspot-Karte des sozialen Hochwasser-Risikos, basierend auf Überlagerung des Vulnerabilitätsindex mit dem Überflutungsbereich eines 250-jährlichen Hochwassers
Eine Hotspot-Karte des sozialen Hochwasser-Risikos, basierend auf Überlagerung des Vulnerabilitätsindex mit dem Überflutungsbereich eines 250-jährlichen Hochwassers

Für Hochwasser wurde zusätzlich gezeigt, dass Versicherungsmodelle, die nur auf Vermögenswerte abzielen, ärmere Haushalte systematisch benachteiligen. Sozial ausgewogenere Modelle könnten deren unversicherte Verluste bei einem 100-jährlichen Ereignis von über 50 % des Vermögenswerts auf unter 15 % reduzieren. Weiterhin zeigte sich, dass eine Priorisierung von Anpassungsmaßnahmen – also wo Hochwasserschutz gebaut werden soll – deutlich anders ausfällt, wenn das „soziales Risiko“ berücksichtigt wird, als wenn ausschließlich monetäre Werte als Grundlage dienen.

Gesamtwirtschaftlich zeigen sich ebenfalls klare Verteilungsmuster: Bei starker Klimaerwärmung (Szenario RCP8.5) verlieren durch Hitze vor allem körperlich tätige und ärmere Arbeitnehmer:innen viel stärker an Wohlfahrt. Wohlhabendere urbane Gruppen bleiben vergleichsweise verschont – oder profitieren indirekt durch höhere Kapitalgewinne, beispielsweise durch höhere Mieteinnahmen, da Wohnraum durch steigendes Hochwasserrisiko knapper wird.

Die Ergebnisse machen klar: Ohne gezielte Strategien wird der Klimawandel soziale Ungleichheiten verschärfen. Für Entscheidungsträger:innen bedeutet das: Es braucht nicht nur „mehr Anpassung“, sondern gerechte Anpassung. Politische Maßnahmen müssen daher die spezifische Verwundbarkeit einzelner Gruppen berücksichtigen. DISCC-AT liefert dafür konkrete Werkzeuge – etwa Hotspot-Karten oder einen Online-Hitzerisiko-Explorer für ganz Österreich. (TS, 6/2025)

Weitere Informationen

DISCC-AT

Hitzerisiko-Explorer