COSIMA

Kurzfassung (Quelle: Publizierter Endbericht, COSIMA, ACRP 7th Call)

Eine umfassende Betrachtung von Nachhaltigkeitstransitionen muss neben Systemtransformationen auch Veränderungen ressourcenintensiver Lebensstile sowie deren assoziierte Alltagspraktiken in den Blick nehmen. Dies gilt gerade auch in Bezug auf Themen wie Klimaschonungs- und Anpassungsstrategien. Bezogen auf den aktuellen Wissensstand der Transitionsforschung sowie der Innovationsforschung im Bereich nachhaltige Lebensstile und Alltagspraktiken, betonen AutorInnen vermehrt die Rolle von Zivilgesellschaft, grassroot- und sozialen Bewegungen (Seyfang und Smith, 2007, Smith, 2007, Haxeltine und Seyfang, 2012, Kunze 2009, Kunze u. a. 2015). Im Rahmen des Forschungsprojekts COSIMA haben wir auf partizipative Weise gemeinschaftsbasierte top-down und bottom-up Initiativen zur Klimaschonung und -anpassung in Österreich und Deutschland untersucht. Den inhaltlichen Schwerpunkt des Projekts bildete die Analyse sozialer Alltagspraktiken zur Klimaschonung und -anpassung lokaler Nachhaltigkeitsinitiativen. Es ging darum herauszufinden, wie die sozio-politischen und materiellen Rahmenbedingungen für diese Praktiken günstig gestaltet werden können, sodass low-carbon Praktiken stärker Verbreitung finden und carbon-intensive Praktiken reduziert werden. COSIMA verbindet die empirische Analyse von gemeinschaftsbasierten Initiativen (drei Ökodörfer und drei Klimagemeinden), unter Beteiligung von Stakeholdern, mit der Entwicklung von Politikempfehlungen und Strategien. Über Interviews, Workshops und Beobachtungen der TeilnehmerInnen haben wir (Alltags)praktiken sowie Maßnahmen in den Bereichen Ernährung, Wohnen und Mobilität untersucht. Dabei stand die Analyse der „Arten von Interventionen“, sowie die „Intention“ des gemeinschaftsbasierten Eingreifens im Vordergrund. Das Ziel des Projektes war es, Politikimplikationen und Governance-Mechanismen zu identifizieren, welche die Entwicklung, Stabilisierung und das Mainstreaming klimaschonender- sowie adaptiver Praktiken unterstützen. Theoretisch stützen wir uns auf die Praxistheorie, welche uns als Instrument für die Analyse der empirischen Ergebnisse (Reckwitz 2002) diente. Ausgehend von der Hypothese, dass „soziale Praktiken“ einen besseren Analysegegenstand für die Beurteilung von Nachhaltigkeitspolitik darstellen, als „das individuelle Verhalten“, „die Wahl“ oder „Innovation“ allein, haben Spurling et al. (2013:4) drei Typen der Intervention in tägliches Handeln eingeführt: (1) Recrafting – Elemente einer ressourcenintensiven Praktik werden durch weniger ressourcenintensive Elemente derselben Funktion ersetzt (z.B. Heizen mit Pellets statt Heizöl). (2) Substituting - eine ressourcenintensive Praktik wird durch eine weniger ressourcenintensive Praktik derselben Funktion ersetzt (z.B. Fahrradfahren statt Autofahren). (3) Interlocking – das Zusammenwirken verschiedener Praktiken wird so verändert, dass bestimmte klimaschädliche Praktiken obsolet werden (z.B. kann die Nutzung von Ferienangeboten o.Ä. vor Ort, das Autofahren obsolet werden lassen). Auf diese Weise kann der „Bedarf“ an einer ressourcenintensiven Praktik verschwinden. Um die Dynamik der sozialen Neuerung zu analysieren, unterscheiden wir drei Phasen des sozialen Neuerungsprozesses: die Entwicklungsphase, die Stabilisierungsphase und die Mainstreaming Phase. Jede Phase bringt spezifische Herausforderungen mit sich und wird durch das jeweilige Ermöglichen und Begrenzen von Strukturbedingungen charakterisiert. Auf dieser Arbeit aufbauend analysieren wir die Umgestaltung von täglichem Handeln infolge verschiedener Interventionen in den jeweiligen Ökodörfern und Klimagemeinden. Die empirischen Ergebnisse haben unsere Hypothese bestätigt und gezeigt, dass es erhebliche Unterschiede zwischen den beiden gemeinschaftsbasierten Initiativentypen gibt, bezüglich der Art und Weise wie Nachhaltigkeitspraktiken Verbreitung finden, wie sie sich entwickeln und welche Potenziale sie für eine Überführung in den Mainstream haben. Die Analysen zeigen eine Tendenz, dass Klimagemeinden eher auf den „Umbau“ bestehender Praktiken (recrafting) sowie auf die Stärkung von Alternativen (substitution) setzen ohne die Notwendigkeit klimaschädlicher Praktiken selbst infrage zu stellen oder diese aktiv zu reduzieren. Ein Beispiel dafür ist die Förderung von Radwegen, während gleichzeitig kaum Anreize geschaffen werden das Autofahren selbst zu reduzieren. Ökodörfer setzen tendenziell auf die Veränderung des Zusammenwirkens unterschiedlicher Praktiken (interlocking) und auf die Substitution (substitution) klimaschädlicher durch klimafreundliche Praktiken. Dabei setzen sie sich selber Regeln und schaffen infrastrukturelle Bedingungen, die auch die Reduktion klimaschädlicher Alltagspraktiken zum Ziel haben (z.B. weniger Privatautos innerhalb des Ökodorfgeländes, ausschließlich vegetarische oder vegane Gerichte in der Gemeinschaftsküche, ökologische Bauregeln der Genossenschaft, welcher Grund und Immobilien gehören). Eine der zentralen Politikempfehlungen für die Verbreitung (Mainstreaming) solcher Praktiken, ist die Schaffung einer sogenannten “hybriden Struktur”, welche Ökodörfer als Experimentierraum anerkennt, in dem radikale innovative Praktiken ausprobiert und entwickelt werden, die dann von Klimagemeinden adaptiert werden können und somit größere Verbreitung finden. Voraussetzung dafür sind veränderte Rahmenbedingungen, wie beispielsweise die räumliche Integration von Ökodörfern in Klimagemeinden.

Weitere Information:

Projektleitung: Dr Willi Haas, Institut für Soziale Ökologie

Projektpartner: - Austrian Institute for Sustainable Development (ÖIN); - University of Natural Resources and Life Science, Vienna (BOKU), Centre for Global change and Sustainability (GWN); - Technical University of Berlin, Center for Technology and Society (ZTG).

Projektlaufzeit: 2015-2017

Publizierter Endbericht