EPI-CHANGE
Kurzfassung (Quelle: Publizierter Endbericht, EPI-CHANGE, ACRP 5th Call)
Der anhaltende Klimawandel wird die Verbreitung von Arten stark verändern. Es ist jedoch unklar, ob Arten auch durch rasche Anpassung an die neuen Umgebungsbedingungen reagieren können, was schließlich zur Entstehung neuer Arten führen würde. Da die Änderung der genetischen Sequenz durch Mutation zu langsam ist, um mit dem Klimawandel Schritt zu halten, konzentrierten wir uns auf epigenetische Veränderungen (strukturelle Modifikationen der DNA und Wechselwirkungen mit small RNAs) als Möglichkeit einer raschen und erblichen Veränderung des Genoms. Die untersuchten Modellorganismen sind zwei nah verwandte Arten von Gebirgspflanzen, Heliosperma pusillum, das auf die alpine Zone beschränkt ist, und H. veselskyi, das unter überhängenden Felswänden der montanen Zone verbreitet ist. Beide Arten sind trotz des Fehlens genomweiter genetischer Differenzierung morphologisch und ökologisch unterschiedlich was darauf hindeutet, dass epigenetische Mechanismen an ihrer Divergenz beteiligt waren. Hauptziel des Projektes war es, Licht auf die komplexen Wechselwirkungen zwischen Genotyp, Epigenotyp und Umwelt zu werfen, mit dem Ziel die Möglichkeit rascher Evolution als Reaktion auf den Klimawandel besser beurteilen zu können. Wir konzentrierten uns auf den Vergleich räumlich naher (innerhalb weniger Kilometer horizontaler Distanz) Paare von Populationen, die jeweils zusammengesetzt waren aus H. veselskyi aus tieferen Lagen und dem 200-500m höher vorkommenden H. pusillum. Die durchschnittlichen Temperaturunterschiede an den Wuchsorten innerhalb der Populationspaare entsprechen damit in etwa der für das 21. Jahrhundert vorhergesagten Temperaturerhöhung. Diese Populationspaare untersuchten wir auf genetische und epigenetische Differenzierung sowie deren Rolle bei der Anpassung an divergierende Umweltbedingungen. Darüber hinaus sammelten wir wichtige Daten über biotische und abiotische (z. B. Temperatur) Habitatbedingungen, testeten die Kreuzbarkeit zwischen den beiden Spezies und untersuchten morphologische und ultrastrukturelle sowie ökophysiologische Divergenzen zwischen beiden Arten. Wir untersuchten Ausmaß und Struktur der genetischen und epigenetischen Variation sowohl innerhalb und zwischen wilden Populationen von H. veselskyi und H. pusillum als auch in reziprok transplantierten Individuen und in einem „common garden“ herangezogenen Pedigrees, mit dem Ziel, die evolutionäre Bedeutung dieser Variation zu ergründen. Als ersten Schritt in unseren molekularen Analysen untersuchten wir genetische Daten – von RADseq generierte, genomweite Single Nucleotide Polymorphisms (SNPs) – um die Populationsstruktur und die Evolutionsgeschichte der untersuchten Populationspaare zu verstehen und die Häufigkeit sowie das Ausmaß des Genflusses zwischen diesen Populationen abzuschätzen. Zusätzlich wurde die genomweite DNA-Methylierung unter Verwendung einer im Rahmen dieses Projekts neu entwickelten Methode (bsRADseq), die Bisulfit- und NextGeneration-Sequenzing kombiniert und eine effiziente bioinformatische Analyse-Pipeline beinhaltet, bestimmt. Unsere zu testende Hypothese war, dass angesichts der erwarteten Umgebungsempfindlichkeit von epigenetischen Signalen genomweite Unterschiede in der DNA-Methylierung zwischen den beiden Spezies bestehen. Unter Verwendung statistischer Ansätze durchsuchten wir die allgemeinen Differenzierungsmuster in den generierten Datensätzen hinsichtlich Hinweise auf Selektion einzelner (Epi)Loci. Dies beruht auf der Annahme, dass Loci unter positiver Selektion eine signifikant höhere Differenzierung als der Großteil der genomweiten Loci aufweisen sollten, während Loci unter reinigender Selektion eine niedrigere Differenzierung zeigen sollten. Ziel der Untersuchung war auch die evolutionäre Bedeutung von Epi-Loci für einzelne Individuen aus den sechs Populationspaaren im Detail zu hinterfragen. Weitere Annotationsanalysen wurden durchgeführt, um die biologische Bedeutung der gewonnenen Daten zu erhöhen. Weiters untersuchten wir die Umgebungsempfindlichkeit der DNA-Methylierung indem wir alle Epi-Loci bei reziproken Transplantationen untersuchten. Darüber hinaus wurde der vererbbare Teil der epigenetischen Variabilität über drei Generationen quantifiziert. Abschließend verschnitten wir die verschiedenen Ebenen molekularer Informationen mit komplementären phänotypischen Daten, um die Verbindungen zwischen Genotyp, Epigenotyp und Phänotyp zu definieren und dadurch zusätzliche Informationen über die Muster von Selektion und deren Ziele zu gewinnen. Unsere Ergebnisse widersprachen den meisten unserer anfänglichen Hypothesen, die auf dem Stand der Kenntnisse zum Zeitpunkt des Projektbeginns basierten. A. Zum Beispiel haben wir innerhalb der sechs Populationspaare bis zu fünf unabhängige Entstehungen von H. veselskyi aus H. pusillum gefunden, was darauf hindeutet, dass eine Anpassung an montane Wuchsorte häufig und relativ leicht erreichbar ist. Diese Divergenzereignisse passierten verteilt über einen Zeitraum zwischen 15.000 und 500 Jahren und trotz des Wirkens von Genfluss; die genomische Divergenz erscheint aber weitgehend durch Drift geformt zu sein. B. Die entdeckten Methylierungsmuster sind in verschiedenen Sequenzkontexten stark verschieden (d.h. CpG, CHH, CHG), sie sind jedoch überraschend stabil zwischen H. veselskyi und H. pusillum, die nur begrenzte und punktuelle epigenetische Divergenz aufweisen. Dies kann auf eine unerwartet starke, reinigende Selektion hinweisen, die auf DNAMethylierung innerhalb eines Genom-Abschnittes, hauptsächlich in oder um Gene herum, wirkt. C. Obwohl wir eine signifikante Umgebungsempfindlichkeit der DNA-Methylierung festgestellt haben, die etwa 20% der CpG-Positionen (in der Nähe von Genen) beeinflusst, übertrifft dies nicht die Labilität der DNA-Methylierung in einer stabilen Umgebung. Daher erscheint bei Heliosperma das umweltbedingte „Reset“ der DNA-Methylierung nicht als eine auf eine Generation beschränkte, groß angelegte Reaktion auf Umweltveränderungen. Allerdings könnten örtliche Reaktionen, die außerhalb der untersuchten genomischen Regionen liegen, oder Änderungen, die über mehrere Generationen vonstattengehen, eine wichtige Rolle bei der Anpassung an unterschiedliche Bedingungen spielen. Außerdem lassen unsere Analysen auch besondere episodische Selektionsdrücke wie etwa Fraßdruck unberücksichtigt. D. Innerhalb der Populationspaare wurden nur begrenzte DNAMethylierungsunterschiede zwischen den beiden Spezies beobachtet, von denen nur wenige über alle Populationspaare hinweg konsistent sind. Dies deutet darauf hin, dass die lokale Selektion eine Rolle bei der Gestaltung von DNA-Methylierungsmustern und genetischen Loci spielen kann, von denen epigenetischen Signale abhängen könnten. Insgesamt zeigen unsere Ergebnisse, dass die wahrscheinlich klimatisch bedingte Evolution von H. veselskyi – einem morphologisch, anatomisch, ökophysiologisch und ökologisch abweichendem, polytopisch entstandenem Nachkommen des weitverbreiteten H. pusillum – rasch verlief und im Holozän stattfand. Auf der anderen Seite liefern unsere Daten nur begrenzte Hinweise für adaptive Evolution über epigenetische Mechanismen – in unserem Fall Cytosin-Methylierung – als Reaktion auf veränderte Umweltbedingungen. Basierend auf unseren Ergebnissen zeigt sich wiederum, dass epigenetische Anpassung von Pflanzen an den anthropogenen Klimawandel unwahrscheinlich ist, was den "konventionellen" Klimaschutz notwendiger denn je macht.
Weitere Informationen:
Projektleitung: Univ.-Prof. Mag. Dr. Peter Schönswetter, University of Innsbruck
Projektpartner: Department of Botany and Biodiversity, University of Vienna (formerly Faculty Centre Biodiversity, University of Vienna), Vienna
Projektlaufzeit: 2013-2016